Ganzjährige Freilandhaltung oder Winter-Stallhaltung von Mastochsen verschiedener Rassen unter Berücksichtigung einer grünlandbasierten Fütterung
Einleitung und Fragestellung
Die Weidemast von Ochsen kann auf Grünlandstandorten ein interessantes Verfahren zur Erzeugung von qualitativ hochwertigem Rindfleisch darstellen. In einem Versuch der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) in der Lehr- und Forschungsstation (LFS) mit insgesamt 48 Tieren sollte untersucht werden, inwieweit Rasse (Deutsche Holsteins (DH) versus Fleckvieh (FV)), Haltung (ganzjährige Freilandhaltung ab 250 kg LM = Outdoor (O) versus Winter-Stallhaltung = Indoor (I)) und Weidesystem (Kurzrasenweide (KRW) versus Umtriebsweide (UTW)) sich auf die Mastleistung, den Schlachtkörperwert und die Wirtschaftlichkeit (Vollkosten) auswirken.
Vorgehensweise
Die Tiere wurden als Kälber von einer regionalen Erzeugergemeinschaft (Herkunft der Tiere: Bayern und Baden-Württemberg) angekauft und in der LFS der HSWT bis zum Versuchsbeginn aufgezogen.
Die Haltungsgruppen „Outdoor“ und „Indoor“ wurden zu Versuchsbeginn mit jeweils 24 zufällig ausgewählten Tieren gebildet. Diese bestanden jeweils aus 12 FV und 12 DH, welche wiederum symmetrisch auf die beiden Weidestandorte verteilt waren. Der Versuchszeitraum gliederte sich in die Phasen 1 (P-1, Stallhaltung, 107 Tage), 2 (P-2, Weidegang, 170 Tage), 3 (P-3, Stallhaltung (Indoor) oder Freilandhaltung (Outdoor), 173 Tage) und 4 (P-4, Weidegang, 126 bis 189 Tage).
Die Haltung während der P-1 erfolgte - für alle Tiere gleich - in zwei isolierten Festställen (Boxenstall mit Vollspaltenboden). Je Bucht (4 m x 3 m) wurden sechs Tiere eingestallt. Gefüttert wurden die Tiere ad libitum mit Grassilage (Folgeschnitte) aus Rundballen bzw. aus Fahrsilos. Die Silage wurde mit einem Futtermischwagen vorgelegt. Zusätzlich erhielten die Tiere 1 kg getreidereiches (Mais, Weizen, Gerste) und mineralisiertes Kraftfutter pro Tier und Tag. Die Inhaltsstoffe und der energetische Futterwert der eingesetzten Futtermittel können den Tabellen 1 und 2 entnommen werden. In den Weidephasen P-2 und P-4 erfolgte keine Beifütterung mit Kraftfutter. Lediglich in den letzten vier Wochen vor dem geplanten Schlachttermin erhielten die Ochsen an einer Abrufstation 1 kg Kraftfutter pro Tag.
Tab. 1: Inhaltsstoffe und energetische Futterwerte der Weideaufwüchse sowie der eingesetzten Grassilagen
Die Haltung der Outdoor-Gruppe erfolgte in der P-3 auf einem ca. 1 ha großen Teilstück der KRW. Die Liegefläche war nicht überdacht, aber nach Westen, Norden und Osten mit Strohballen gegen Wind geschützt und wurde i. d. R. täglich eingestreut. Dort stand den Tieren zudem ein befestigter Futterplatz zur Verfügung. Zur Befestigung dieser Fläche war der Humus entfernt worden und eine ca. 30 cm dicke Tragschicht mit Gefälle eingebaut. Anschließend wurden auf einer planierten Schotterschicht 4 cm hohe Kunststoffgitterplatten verbaut und mit einem Sand-/Schottergemisch verfüllt. Auf der Fläche befanden sich zwei überdachte Viereckfutterraufen mit jeweils 12 Fressplätzen sowie eine frostsichere Tränke und eine Kraftfutterabrufstation. Bei Bedarf wurde die Fläche mit einem Frontladerschlepper abgeschoben. Den Tieren wurde Rundballen-Grassilage von Folgeaufwüchsen zur freien Aufnahme vorgelegt. Jeder Ballen wurde auf einer umgebauten Wiegeplattform verwogen und eine Futterprobe gezogen. Die Grassilageaufnahme wurde dabei anhand der Ergebnisse der Frischmassewiegung, der Trockenmassebestimmung und der Rückwaage der Futterreste bestimmt. Die Haltung der Indoor-Gruppe in der P-3 erfolgte analog zur P-1. Pro Bucht wurden aber aufgrund der höheren Lebendmasse nur noch drei Tiere gehalten.
Die Weidefutteraufnahme wurde auf der UTW durch Differenzrechnung aus Bestand zu Weideauftrieb und dem Weiderest nach Abtrieb ermittelt. Hierfür wurden pro Koppel jeweils sechs Teilflächen mit je 0,6 m² mit einer Akku-Rasenschere gemäht. Auf der KRW erfolgte die Ertragsermittlung in der ersten Weidesaison anhand des Zuwachses unter sechs, je 2 m² großen Weidekörben und der jeweils im Beobachtungszeitraum zugeteilten Weidefläche. Die Mahd erfolgte analog zur UTW mit der Akku-Rasenschere. In der zweiten Weidesaison wurden die Weidekörbe der KRW durch drei ausgezäunte Weideparzellen (je ca. 30 m²) ersetzt. Deren Beerntung erfolgte mit einem Aufsitz-Frontrasenmäher.
Die Schlachtung der Tiere erfolgte bei Erreichen des Zielgewichts zu fünf Terminen im Zeitraum Mitte August bis Ende Oktober 2012 im Versuchsschlachthaus der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Poing-Grub.
Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit dem Programm SPSS, V 20.0 (IBM, New York, USA). Für die erhobenen Merkmale erfolgte eine drei-faktorielle Varianzanalyse. Hierbei wurden folgende Faktoren untersucht: Rasse (FV versus DH), Haltungsform (I versus O), Weidesystem (KRW versus UTW).
Ergebnisse und Diskussion
Das Weidesystem hatte mit Ausnahme der Schlachtausbeute (56,1% KRW vs. 55,3% UTW) im gewählten Modell keinen Einfluss auf die erhobenen Parameter. Daher wird dieser Faktor nachfolgend nicht näher betrachtet und in den Ergebnistabellen nicht ausgewiesen.
Die Rasse FV zeigte sich sowohl im Anfangsgewicht (P-1) als auch im Mastendgewicht der Herkunft DH signifikant überlegen (Tab. 3). Dies führte zu auch hinsichtlich der Masttagszunahmen zu einer signifikanten Überlegenheit der FV-Ochsen.
Tab. 3: Anfangsgewichte und Tageszunahmen während der Versuchsphasen in Abhängigkeit der Rasse und der Haltungsform in Phase 3 (LS-Mittelwerte)
Bedingt durch niedrigere Tageszunahmen (TGZ) in der P-3 ergab sich für die Outdoor-Gruppe ein signifikant niedrigeres Anfangsgewicht zur P-4. Die verringerte Leistung in der P-3 könnte auf einen höheren Erhaltungsbedarf während des Winters zurückzuführen sein. Der Gewichtsrückstand konnte jedoch durch signifikant höhere TGZ der Outdoor-Gruppe in der P-4 wieder kompensiert werden. Auf die Mastendgewichte und die durchschnittlichen TGZ während der gesamten Mast hatte die Winterhaltung somit keinen signifikanten Einfluss. Zwei Tiere der Indoor-Gruppe mussten während der P-3 wegen Fressunlust und gestörtem Allgemeinbefinden behandelt werden. In der Outdoor-Gruppe waren keine krankheitsbedingten Behandlungen erforderlich.
In der Tabelle 4 ist die durchschnittliche Futteraufnahme der Tiere während der vier Mastphasen dokumentiert. Verrechnet man die unterstellten Futteraufnahmen mit den jeweiligen ME-Gehalten der Futtermittel (Tab. 1 und Tab. 2), so ergibt sich die durchschnittliche ME-Aufnahme pro Tier und Tag. In Tab. 5 sind diese Werte phasenbezogen dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass die kalkulierten Energieaufnahmen v. a. in der P-3 und noch deutlicher in der P-4 um bis zu + 45,3 % von den ME-Bedarfsempfehlungen der GfE (1995) für Mastochsen abweichen. Hierfür ist in erster Linie die gegenüber den Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL 2012) deutlich erhöhte Futteraufnahme der Tiere im vorliegenden Versuch verantwortlich. In vergleichbaren Weidemastversuchen mit Ochsen (Boadi et al. (2002), French et al. (2001), McCaughey et al. (1997), Barton et al. (1992)) wurden bei Erhebung der Weidefutteraufnahme am Tier (indirekte Messmethoden) ähnliche Werte hinsichtlich der Trockenmasseaufnahme in Bezug zum Lebendgewicht gefunden. Somit erscheinen die in der vorliegenden Studie ermittelten Werte durchaus plausibel. Die Übertragbarkeit von Bedarfsempfehlungen, welche aus Stall-Mastversuchen mit erhöhter Fütterungsintensität abgeleitet wurden, auf die Weidemast von Ochsen, ist somit zu hinterfragen.
Tab. 4: Durchschnittliche Futteraufnahme pro Tier und Tag während der Versuchsphasen in Abhängigkeit der Rasse und der Haltungsform in Phase 3 (LS-Mittelwerte)
Tab. 5: Gegenüberstellung von täglicher ME-Aufnahme auf Basis der erhobenen Futteraufnahme von Weideochsen und des ME-Bedarfes von Ochsen nach Empfehlungen der GfE (1995)
Tab. 6: Ausgewählte Merkmale des Schlachtkörpers in Abhängigkeit der Rasse und der Haltungsform in Phase 3 (LS-Mittelwerte)
In der Tabelle 7 sind die auf der Basis der Versuchsergebnisse berechneten Vollkosten und kalkulatorischen Faktorkosten dargestellt. Hieraus ergibt sich, dass unter den unterstellten Bedingungen, erst ab einem Schlachterlös von 5,56 € (DH) bzw. 5,79 (FV) €/kg SG bei ganzjähriger Freilandhaltung von einem vollkostendeckenden Preis ausgegangen werden kann. Für eine Winter-Stallhaltung wäre noch ein zusätzlicher Erlös von +0,21 € (DH) bzw. +0,23 €/kg SG (FV) erforderlich.
Tab. 7: Vergleichende Vollkostenrechung1) und Berechnung des jeweiligen Unternehmergewinns unter Berücksichtigung der Rasse und der Haltungsform im zweiten Winter
FAZIT
Die Outdoor-Haltung ohne Unterstand im zweiten Winter der zweijährigen Mastperiode beeinträchtigte die Gesundheit der Tiere in keiner Weise (keine Verluste, keine krankheitsbedingten Behandlungen in dem genannten Zeitraum). Hinsichtlich der Mastendgewichte zeigten sich die FV-Tiere den DH-Tieren signifikant überlegen (639 kg vs. 611 kg). Auch bei den wesentlichen Merkmalen des Schlachtkörperwertes waren die FV-Ochsen den HF-Tieren signifikant überlegen. Zwischen den Gruppen „Outdoor“ und „Indoor“ zeigten sich nur geringe Unterschiede bezüglich Mastleistung (Mastendgewichte: 626 kg vs. 624 kg) und Schlachtkörperwert.
Die ökonomische Bewertung zeigt rassenübergreifend und unter Berücksichtigung der Vollkosten wirtschaftliche Vorteile zugunsten der ganzjährigen Freilandhaltung (+ 63,- €/Tier). Jedoch reichen die derzeit erzielbaren Schlachterlöse in keinem der kalkulierten Produktionsverfahren annähernd aus, um eine Vollkostendeckung zu erzielen. Der Einstieg in eine grünlandbasierte Ochsenmast kann deshalb nur Landwirten empfohlen werden, die ihre Grünlandflächen anderweitig nicht verwerten und durch zusätzliche Prämienoptimierung (Nutzung von Ökoprämien, Agrarumweltprogrammen etc.) und/oder durch spezielle Vermarktungswege (Direktvermarktung, hochpreisige Gastronomie) die Marktleistung erhöhen können.
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